Disziplin(losigkeit) einst und jetzt

Wir beklagen einen 5. Tabellenplatz und eine schwierige Qualifikation für einen internationalen Bewerb. Der Block nimmt sich kein Blatt vor den Mund und beschuldigt – wie so oft dieselben Verdächtigen „da oben“.

Die Liste der Probleme in der abgelaufenen Saison ist lang und die hier diskutierte „Disziplin“ ist nur einer der viele Stolpersteine, die dazu geführt haben, dass Rapid weit unter Wert geschlagen wurde.

Dieselben Spieler, die uns noch in der vorigen Saison einen zweiten Platz erkämpft haben, ließen den Verein (und damit auch uns) in einer ziemlich unschönen Art hängen. Allein die Unruhe, die sich aus der Gier nach einem höheren Einkommen ergeben hat, ist für viele fehlende Tore und Punkte in dieser Saison verantwortlich.

Und das hat nichts mit der Vereinsführung zu tun, denn dieselbe Führung wurde für die Spielerkäufe von Fountas, Kara und Stojković durchaus gelobt und soll gleichzeitig für deren charakterloses Verhalten verantwortlich sein.

Rapid ist ein ganz besonderer Verein und das wohl vor allem wegen seines riesigen Fan-Potentials. In dieser Auslage werden Handlungen der Spieler – aber auch der sonstigen Akteure – genauer beobachtet als anderswo. Loyalität zum Verein und zum Anhang ist eine wichtige Eigenschaft, damit das Rapid-Umfeld als Wohlfühlfaktor empfunden werden kann.

Die Ereignisse rund um die Spielerabgänge in dieser Saison haben uns alle und natürlich auch die Vereinsführung auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Allein diese fehlende „Loyalität zum Verein“ hat Rapid in dieser Saison eine Menge Punkte gekostet und mögliche Einnahmen verhindert.

Die Saison 2021/22 wird uns in Erinnerung bleiben. Nicht nur wegen des wenig erfreulichen 5. Platzes, mehr noch wegen der Unruhe rund um die Transfers der früheren Leistungsträger Kara und Fountas. Die Spielverweigerung von Stojkovic für das Europacup-Playoff reiht sich nahtlos in dieses disziplinäre Desaster rund um Rapid-Spieler.

Nehmen wir einmal umgekehrt, an Stojković wäre beim LASK gewesen und wäre dort in ähnlicher Art verhaltensauffällig nicht zu wichtigen Qualifikationsspielen erschienen. Hätte ihn dann Rapid mit ebenso offenen Armen empfangen wie es jetzt umgekehrt der LASK tut? Ich will es mir nicht vorstellen. Ich gehöre nicht gerade zu jenen, die Spieler auspfeifen, doch für das nächste Spiel Rapid-LASK habe ich mir jetzt schon ein Anti-Stojković-Trillerpfeiferl eingesteckt.

Die Nicht-Vertragsverlängerung von Leo Greiml „krönt“ diese unrühmliche Gier nach dem größeren Geld als einen eher unerwünschten Zeitgeist.

Dass ein junger Spieler wie Leo Greiml bei Rapid ausgebildet wird, Rapid das Lehrgeld bezahlt (siehe EC-Playoff gegen Sturm Graz mit zwei durch ihn mitverschuldeten Gegentoren), eine schwere Verletzung finanziert, insgesamt also der Spieler mehr Kosten als Nutzen in seinen 56 Spielen für Rapid verursacht hat, seinen Vertrag nicht verlängert, und seinem Verein die Möglichkeit nimmt, wenigstens anteilig an einem Transfer die Ausbildungskosten refundiert zu bekommen, ist ein weiterer Tiefschlag in Charakterfragen.

Beim Stammtisch im Kaffee Alt Wien konnte man unserem Sportdirektor die riesige Enttäuschung über das Verhalten von Leo Greiml ansehen.

Kein Spieler mit Legendenstatus

Spieler mit mehr als 100 Einsätzen gelten als „Legenden von Rapid“. Keiner der unrühmlichen Abgänge von Rapid hat diesen Status erreicht.

  • 56 Greiml
  • 84 Kara
  • 91 Fountas
  • 97 Stojković
Leo Greiml (Wikipedia), Ercan Kara (EwkiL), Josef Bican (Wikipedia), Taxiarchis Fountas (EwkiL), Filip Stoković (EwkiL)

Disziplin(-losigkeit) hat Tradition

Bei Rapid hat es durchaus Tradition, dass Disziplinlosigkeit nicht geduldet wird.

Das markanteste Ereignis dieser Art war der Rauswurf des Jahrhunderttalents Josef „Pepi“ Bican, einem tschechisch-stämmigen Jungstar der 1930er Jahre, der seine Karriere bei Rapid begann, aber wegen einer – für damalige Verhältnisse gravierenden – Disziplinlosigkeit von Rapid gekündigt wurde. Bican wechselte zur Admira und erkämpfte dort zwei Meistertitel, doch seine große Karriere begann nach seinem Wechsel in die Tschechoslowakei zu Slavia Prag. 1997 wurde Pepi Bican gemeinsam mit Pelé und Uwe Seeler die Trophäe des weltbesten Torjägers überreicht. Vorgeschlagen wurde er von Bimbo Binder.

Und was war das damals für eine Disziplinlosigkeit? Der 20jährige „Pepi“ war damals schon ein Star. Und er hat dieses Status genossen – und übertrieben. Er soll seinen Hut und Mantel mit einem Taxi zum Stadion geschickt haben und soll selbst mit einem zweiten Taxi gefolgt sein. Dionys Schönecker nahm ihn trotz guter Leistungen aus der Mannschaft und verweigerte ihm sogar die Freigabe. Die Geschichte mit dem Taxi dürfte nicht allein entscheidend gewesen sein, denn man berichtet, dass Pepi die Spielweise von Rapid missfallen hat. Aber schon damals hat bei Rapid Disziplin und Loyalität eine große Rolle gespielt.

Ich bin sicher, dass die Ereignisse der abgelaufenen Saison auch in den Texten zukünftiger Verträge ihre Auswirkung finden werden. Rapid ist gerne ein Sprungbrett für Spielerkarrieren, und es gibt einige sehr positive Beispiele dafür. In der abgelaufenen Saison drohte aber das Sprungbrett unter einer ungewöhnlichen charakterlichen Belastungsprobe zu zerbrechen.

Und dieser Punkt „Disziplinlosigkeit“ ist allein den Spielern und einem gewissen Zeitgeist, dem Streben nach „Ein paar Dollar mehr“ zuzuschreiben und nicht der Vereinsführung.

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