Rapid möge gewinnen

Vor dem Spiel

Bei Rapid ist es vielleicht so ähnlich wie bei Dortmund, nur in kleinerem Rahmen. Ein vergleichsweise großer Verein bringt seine PS nicht so ganz auf den Rasen. Die beiden letzten Derby-Siege waren zwar wohltuend, aber man hat nicht immer so viel Glück. Wenn jemand  – wie die Austria – in der ständigen Position des Zweiten ist (und das ist sie auch dann, wenn sie einmal ein Derby gewinnt), dann muss er versuchen, mit unorthodoxen Mitteln zum Erfolg zu kommen. Und die Austria macht genau das, sie provoziert. Egal, ob es die Rekordmeister-Debatte ist oder die Spielchen von Raphael Holzhauser. In dieser Hinsicht haben sich die Austrianer enorm „verstärkt“ und mit Stangl einen zweiten Provokateur geholt. Stangl hat in einem Interview gesagt, die 24.000 Zuschauer würden nur wegen ihm kommen. Nicht, dass er das ganz ernst gemeint hätte, aber wenn man im Hintertreffen ist, muss man eben versuchen, auf anderen Ebenen zu punkten. Wir waren beim Stammtisch und unser Kapitän hat sich sehr gelassen gegeben. Mein Eindruck ist, dass man bei Rapid sehr großen Wert auf den Charakter der Spieler legt. In ihnen liegt auch ein großes gesamtheitliches Erziehungspotenzial für die Anhänger. (Insofern sind Ausrutscher wie die Aktion von Dejan Ljubicic besonders unerwünscht.)

Fanblöcke

Wenn ich die beiden Fanblöcke charakterisieren sollte, dann fällt mit dazu folgendes ein: der Rapid-Fanblock wirkt auf die eigenen Fans anziehend, der Austria-Fanblock auf die eigenen Fans abstoßend. Der Grund für die Akzeptanz bei Rapid dürfte die unpolitische Grundtendenz sein, die Ablehnung bei der Austria die Präsenz extremer Ideologien. Eine unmittelbare Folge ist, dass sich durchschnittliche Austria-Anhänger nicht in den Auswärtsblock stellen und dieser daher peinlich leer ist und man den Eindruck hat, als müssten diese Fans 1000 Kilometer anreisen. Warum ist das so? Grundsätzlich wollen ja alle Gruppierungen wachsen, also auch ein Fanblock. Bei Rapid hat man nach ziemlich extremen Anfängen erkannt, dass Politik im Block nichts verloren hat, will man nicht von extremen Gruppen vereinnahmt werden. Vielleicht hat sich sogar aus den Versuchen des rechtsextremen Gottfried Küssel in den 1980er Jahren, den Rapid-Fanblock zu dominieren, auch die Ultras-Bewegung gebildet, die diesem Versuch entgegengetreten ist. Genau das dürfte bei der Austria nie gelungen sein. Vielleicht hat aber die Zusammensetzung des Austria-Fanblocks den historischen Grund, dass die Austria – wie im folgenden Wirtschaftsvergleich gezeigt wird – mehr Sponsoren hat, obwohl diesen Sponsoren nicht annähernd jene Öffentlichkeit geboten wird wie sie bei Rapid gegeben ist. Diese bessere Vernetzung der Austria mit der Wirtschaft dürfte in die Anfänge des Vereins (damals im wohlhabenden Hietzing beheimatet) zurückreichen und wurde in der Zeit von Joschi Walter in den 1960er Jahren vertieft, mehr als das damals bei Rapid der Fall gewesen sein dürfte.  Dieser historische Vorteil des besseren wirtschaftlichen Standing hat dann möglicherweise den ebenso historisch gewachsenen Nebeneffekt als Nachteil, dass es dem Verein nicht notwendig war, sich besonders um Fans kümmern zu müssen, denn das Geld war da, auch ohne Fans. Für diese Sichtweise spricht, dass die Austria kein wirklicher Anhängerverein ist, weil nur eine kleine Gruppe von etwa 300 Personen tatsächlich stimmberechtigt ist. (Siehe Wikipedia-Eintrag FK Austria Wien, Abschnitt Vereinsstruktur).

Druck liegt auf der Austria

DerStandard, 2.2. Fredy Bickel: „Sollte es schiefgehen, würden wir nicht daran zerbrechen. Richtungsweisend ist sie für die Austria, die hat den Druck.“

Kadervergleich

  Austria Rapid
Marktwert nach Transfermarkt 27 Mio 25 Mio

Marktwerte >= 2 Mio

4,00 Louis Schaub
3,00 Raphael Holzhauser
2,50 Philipp Schobesberger
2,25 Felipe Pirez
2,25 Lucas Venuto
2,00 Stefan Schwab
2,00 Alexander Grünwald
2,00 Domink Prokop

Wirtschaftsvergleich

DerStandard vom 30. 1. titelt, „Rapid hat die Mitglieder, Austria die Sponsoren“. Auch so eine Vereinfachung. Wenn man die im Artikel angegebenen Wirtschaftszahlen etwas anders darstellt, hat man den Eindruck, als würde beim Derby ein David gegen Goliath auftreten. Beim Sponsoring liegt die Austria zwar um 20% voran, aber bei den Mitgliederzahlen übertrifft Rapid die Austria mit 520%, bei den Einnahmen sogar um 614%,
  Austria Rapid      
Gewinn 0,16 2,3   Millionen 1.338%
Eigenkapital 1,4 12,5   Millionen 793%
Mbeiträge 0,21 1,5   Millionen 614%
Mitglieder 2.500 15.500     520%
Umsatz 32 42   Millionen 31%
Mitarbeiter 140 150     7%
Sponsoring 12 10   Millionen -20%
Nüchterner betrachtet, ist es aber so, dass man Rapid mit der bereits zweiten Saison im neuen Stadion mit einer Austria mit Baustelle vergleicht. Daher kommen also die meisten der riesigen Unterschiede und es wird interessant sein, diese Zahlen in zwei Jahren wieder zu vergleichen. Ein alternativer Titel wäre gewesen: „Austria, ein erfolgreicher Verein ohne Zuschauer“. Es dürfte an der Zeit der letzten 50 Jahre liegen, wahrscheinlich aber noch weiter zurück reichen, dass unser Stadtrivale beste Beziehungen zur Wirtschaft hat und von dort Gelder lukriert, die nicht unbedingt ihren Gegenwert in einem Werbeeffekt suchen. Auch der unterstützende Bürgermeister ist eine nicht unerhebliche Hilfe. Aus diesen Gründen erscheint es der dortigen Vereinsführung nicht das wichtigste, viele Anhänger zu haben, denn Geld gibt es genug, auch ohne Zuschauer. 

Zuschauer bringen Geld, nicht umgekehrt

Wenn ich das Phänomen „Fußball“ bisher richtig verstanden habe, sind Zuschauer das wichtigste Element beim Fußball überhaupt, nicht das Ergebnis oder das Geld. Das Geld wir durch das Interesse, also durch das Einschalten des Fernsehers, durch den Stadionbesuch und eine gewisse Opferbereitschaft generiert. Fußball, der die Massen in seinen Bann zieht! Das ist es. Egal, ob mit oder ohne Geld in der Vereinskasse. Fußball ist erfolgreich, wenn er den Wettbewerb mit den vielen anderen Freizeitbeschäftigungen für sich entscheidet und die Menschen in das Stadion oder wenigstens vor den Fernseher bringt. Und genau dabei kann er seine Botschaften an das Publikum aussenden, die da lauten: Fairness, Respekt, Toleranz, Religionsneutralität, Antirassismus, Kameradschaft. Diese Botschaften werden durch Teile des Publikums nicht in dieser Form gelebt aber irgendwie gilt: „Steter Tropfen höhlt den Stein“.  Ohne Publikum ergibt Fußball keinen Sinn.

„Die Wahrheit liegt am Platz“

Aber das alles ist Theorie, denn „die Wahrheit liegt am Platz“ (Otto Rehhagel) und diese Wahrheit wird morgen am Spielfeld ausgehandelt.  Vergessen sind die wirtschaftlichen und historischen Unterschiede, es kämpfen elf Grün-Weiße gegen elf Violette und Journalisten neigen zur Präambel: „der Bessere möge gewinnen“. Aber so sehen wir das natürlich nicht, denn es gilt natürlich: „Rapid möge gewinnen“.

Pressemeldungen

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