Sesselkönige

Die starke Abhängigkeit von einem einzelnen fußballbegeisterten Sponsor brachte die Vienna in große Schwierigkeiten und das spontane Angebot von Rapid, in Form eines Benefizspiels in der Länderspielpause zu helfen, zeigte, wie sehr solche Abhängigkeiten auch beim größten österreichischen Anhängerverein bekannt sind und daher bei Rapid solidarische Reaktionen auslösen. Wir, die Anhänger, werden daher bei diesem Spiel dabei sein und natürlich auch zu einem höheren Eintrittspreis. Klar! Die Situation bei der Vienna erinnert an einen Anleger, der sein gesamtes Vermögen in die Aktie eines einzigen Betriebs investiert. Das kann gut gehen, kann aber auch einmal daneben gehen. Und darum raten alle Vermögensberater dringend zu einer Streuung der Anlageformen. Uns es fällt schwer, den Vienna-Verantwortlichen Vorwürfe zu machen. Es gibt nicht so viele Investoren, die bereit wären, wegen der paar Hundert Besucher in Döbling, Geld in das Fußball-Umfeld zu investieren. Das muss schon mit Fußballbegeisterung einher gehen wie das beim verstorbenen Martin Kristek der Fall war (und wie wir das auch bei vielen Rapid-Sponsoren erleben). Dass in diesem Fall ein Verein nicht wegen sportlichen Misserfolgs „absteigen“ müsste sondern wegen dem unerwarteten Tod des 44-jährigen Hauptsponsors, der übrigens laut Bild auch HSV-Sponsor war und seine Firma die dortigen Sponsorverträge erfüllen wird, zeigt die starke Abhängigkeit des Fußballs von der Wirtschaft und man stellt sich die Frage nach den verschiedenartigen Mechanismen für Auf- und Abstieg in Sport und Wirtschaft.

Sesselkönig (1)

Der Sesselkönig ist ein so populäres Kinderspiel, dass man es fast als eine Art gesellschaftliche Grundübung betrachten muss. Man scheidet immer irgendwo aus, und nur einer kann Sieger sein. Ein Glück, dass man diesen „Sesselkönig“ – anders als im Leben – immer wieder neu starten kann, sodass immer auch andere Kinder eine Chance bekommen, zu gewinnen.

Sesselkönig der Wirtschaft (3)

Das Ausscheiden eines Mitbewerbers in der Wirtschaft ist wie eine Runde im Spiel des „Sesselkönigs“. Dieses Ausscheiden liegt durchaus im Interesse der jeweils verbleibenden Mitspieler (und Mitbewerber in der Wirtschaft). Wie das Spiel der Kinder einen Sieger, kürt der Wettbewerb in der Wirtschaft den Monopolisten. Da aber mit Monopolen der fehlende Wettbewerb keine kundenfreundliche Preisbildung zulässt und auch keine Motivation zur Entwicklung neuer Produktideen fördert, versuchen Kartellbehörden Monopole möglichst zu verhindern. Die „Schmerzgrenze“ der Kartellbehörden im Sinne der Erhaltung eines ausreichenden Wettbewerbs für ausreichende Preissenkung und Innovation. scheinen „drei Sesseln“ zu sein. Weitergehende Fusionen werden nicht erlaubt. Telekom-Provider: A1, Drei, T-Mobile. Nahrungsversorgung: Hofer, Rewe, Spar. Ungeregelt, sich selbst überlassen, würden sich wahrscheinlich diese letzten drei irgendwann auf eine Fusion oder weitere Scheinkonkurrenzen (wie etwa bei Media-Markt und Saturn) einigen und der Markt ist verschwunden. Der Staat muss also durch (künstliche) Regeln für ein gewisses Minimum an Mitspielern sorgen.  Sollte einer der drei letzten „Spieler“ straucheln, müsste man ihn fast im Interesse eines ausreichenden Wettbewerbs künstlich am Leben erhalten.

Sesselkönig des Fußballs (9)

Im Fußball ist dies Erhaltung der Vielfalt geradezu eine Grundbedingung für ausreichende sportliche Konkurrenz. Die oberste Fußballliga hat in Österreich neun „Sesseln“. Diese Regelung sorgt dafür, dass immer neun Vereine im Rennen bleiben. Die Sessel ermitteln allerdings nur den Absteiger. Der Meister wird anderswie ermittelt. Das wissen wir. Es ist erwünscht, dass allein das sportliche Geschehen über Auf- und Abstieg entscheidet. Aber durch die Lizenzauflagen einer Liga gibt es finanzielle Rahmenbedingungen, die spielberechtigte Vereine erfüllen müssen. Würde man den Fußballsport dem freien Spiel der Kräfte überlassen, könnten Vereine mit einem Zuschauerschnitt unter 5.000 wahrscheinlich finanziell gar nicht überleben, weil die Konzetration der verfügbaren Gelder auf die populären Großvereine die Kleinen wie beim Sesselkreis der Kinder verschwinden ließe. Dass die Kleinen aber dennoch überleben können, liegt an der Art der Verteilung der Werbeeinnahmen der Liga. Würden diese nämlich – wie in der Wirtschaft (und teilweise in Deutschland) – leistungsorientiert verteilt werden, hatten wir in Österreich vielleicht gar keine 10 Vereine, die die Lizenzauflagen der Bundesliga erfüllen könnten. Wenn also beim Sesselkönig der Wirtschaft (3) davon gesprochen wurde, dass man im Sinne der Erhaltung des Wettbewerbs einen eventuell schwächelnden Mitbewerber in einer Dreierkonstellation stützen müsste, dann ist das im Fußball längst der Fall, indem nämlich die Einnahmen aus Werbung seitens der Bundesliga höchst leistungsfeindlich gleichmäßig und nicht der Popularität und damit der Einschaltquote entsprechend verteilt werden. Wie könnten solche leistungsgerechten Relationen ausschauen? Man könnte zum Beispiel eine Ausschüttung proportional zur Anzahl der Aussendungen im ORF erwägen. Dann würde Rapid auf 24 Prozent der Werbemittel kommen (17(72) Aussendungen) und die kleinen Vereine auf 3-4 Prozent (2-3(72) Aussendungen). Siehe Artikel „Bundesliga im ORF“. Durch die derzeitige Gleichverteilung der Ausschüttung machen die Werbegelder aus der Liga bei den Großen nur einen kleinen Teil ihres Budgets aus, während sie bei den Kleinen überlebenswichtig sind. Natürlich werden die populären Vereine in der nächsten Fernseh-Verhandlungsrunde in dieser Angelegenheit Gas geben aber ebenso sicher ist, dass die Bundesliga an diesem gleichmäßigen Verteilungsschlüssel aus einer Art Selbsterhaltungstrieb wird festhalten wollen.

Ligakorsett passt nicht immer

Stell Dir vor Rapid wird Meister und will freiwillig nicht in der Champions-League spielen! Undenkbar! Aber drei Ligen weiter unten ist das fast der Normalfall. Der Burgenland-Meister hat kein Interesse am Aufstieg in die Regionalliga. Und man kann es nachvollziehen, und das Schicksal der Vienna gibt den Burgenländern irgendwie Recht. Dass Vereine die Bedingungen einer Liga nicht erfüllen können, haben wir in der jüngsten Vergangenheit mehrfach erlebt. Beispielsweise beim Abstieg von Grödig aus der Bundesliga in die Regionalliga, die Erste Liga überspringend, weil man aus den Einnahmen des Grödiger Umfeldes bei den stark reduzierten Werbeeinnahmen in der Erste Liga den Vereinsbetrieb nicht ausfinanzieren könnte. Aber auch der Übergang von der Landesliga in die Regionalliga zeigt, dass eine Meistermannschaft eines Vereins mit lokaler Bedeutung nicht in die Regionalliga aufsteigen kann, weil die Bedingungen der höheren Liga nicht mit dem Sponsor-Profil aus der Region zusammenpasst. Beispiel Burgenlandliga im Vorjahr.

Regionalliga besonders schwierig

Die Regionalliga mit ihrer Stellung zwischen dem Amateur- und dem Profifußball hat mit gleich zwei Problemen zu kämpfen. Einerseits gibt es schon Spielerverträge, die zu erfüllen sind, anderseits gibt es noch keine kontinuierlichen Fernseheinnahmen; es fehlt also ein gabzes Finanzierungsstandbein. Der Kampf ums Budget könnte fast noch ein bisschen größer sein als in den Zonen der Mitfinanzierung durch das Fernsehen. Die von der Bundesliga vorgezeigte Sorge um die Kleinen, könnte also ein Vorbild für die Regionalligen sein.

Sorgen der Liga

Eine Liga-Organisation muss dafür sorgen, dass sie mit Vereinen bestückt ist, die alle Lizenzauflagen erfüllen. Wegen der wirtschaftlichen Konzentrationseffekte ist das aber gar nicht so leicht. Die Bundesliga trägt dazu bei, indem sie die Gelder hin zu den finanzschwachen Vereine verlagert, damit diese die Ligakriterien erfüllen können. Wenn nun ein Verein in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und ihm der Konkurs droht, könnte man es auch als eine Aufgabe der Liga (Kollektiv der beteiligten Vereine) ansehen, in solchen Krisenfällen auszuhelfen, sofern die sportliche Situation nicht dagegen spricht. Rapid hat spontan nichts anderes getan, als eine solche Hilfe anzubieten; aber so eine Vorsorge für Krisenfälle könnte auch eine Aufgabe der Liga sein.

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