ORF-Backstage-Führung

15 Mitglieder des Team EwkiL:Rapid nahm am 28.1.2023 an einer ORG-Backstage-Führung teil. Um auf die optimale Teilnehmerzahl von 25 zu kommen, waren auch Mitglieder eines befreundeten Computerclubs dabei.

ORF

Der ORF ist die größte Medienunternehmung des Landes, und sie gehört eigentlich uns, der Bevölkerung. Wir bezahlen durch die GIS-Gebühr 60% der jährlichen Betriebskosten von einer Milliarde Euro. Je 20% werden durch Werbung und durch den Verkauf von Filmrechten von Eigenproduktionen (Beispiel „Vienna Blood“) erwirtschaftet. Eine Werbesekunde kostet – je nach Attraktivität der Sendezeit – zwischen 400,- und 1400,- Euro. Der ORF beschäftigt am Küniglberg 2.500 Mitarbeiter.

Bevor wir das Gebäude betreten, erinnern wir uns daran, wie alles begann.

Ein Rückblick

Österreich ist seit seiner Gründung nach dem Ersten Weltkrieg eine Republik, deren Verfassung auf der Gewaltentrennung in Legislative, Judikative und Exekutive beruht. In den 1920er-Jahren traten mit dem Radio die elektronischen Medien auf den Plan, und es dauerte nicht lange, bis das neue Medium Radio als ein weiterer, sehr wesentlicher Machtfaktor erkannt wurde und von diktatorischen Machthabern für Propagandazwecke genutzt wurde.

Auch in der Zweiten Republik war der Einfluss der Parteien auf die neuen Medien – 1955 kam das Fernsehen dazu – groß, und sie vereinnahmten diese bis zur Unerträglichkeit nach dem Proporzsystem. Nach dem Rundfunkvolksbegehren von Hugo Portisch und dem Kurier mit 832.353 Unterstützungsunterschriften wurde der Parteieneinfluss durch das Rundfunkgesetz zurückgedrängt.

Die Bedeutung der Unabhängigkeit der Vierten Macht, der Medien, wird als ein wesentliches Merkmal unserer westlichen Demokratien angesehen. Wir brauchen Medien, die nicht den Regierenden, sondern den Bürgern verpflichtet sind und die öffentlich-rechtlichen Sender gewährleisten diese Unabhängigkeit einigermaßen. Der ORF ist dabei in guter Gesellschaft von BBC, ARD, ZDF, SRG, RAI uva.

Warum Küniglberg?

Diese Frage haben die Entscheidungsträger im ORF und der Gemeinde wohl lange gewälzt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg standen an dieser Stelle die zerbombten Reste der Flak-Kaserne „Küniglberg“. 1968-1974 wurde an dieser Stelle von Architekt Roland Rainer das ORF-Zentrum Küniglberg errichtet. Die Standortwahl hatte auch technische Gründe, weil die erhöhte Lage gute Bedingungen für die benötigten Richtfunkstrecken bot. 2007 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.

Der Standort ist nicht gerade praktisch für ein riesiges Medienunternehmen, weil keine Möglichkeit der Ansiedlung unterstützender Unternehmen besteht. Eine Übersiedlung in einen Neubau in der Gegend von St. Marx, wo in den nächsten Jahren eine Eventhalle entstehen wird, wurde natürlich auch erwogen. Schließlich hat man aber unter Mitberücksichtigung des Denkmalschutzes beschlossen, alle Sender von Rundfunk und Fernsehen auf dem Areal des Küniglbergs zu vereinigen und die Synergien speziell der Nachrichtensendungen in einem neuen Gebäudetrakt „Newsroom“ zu nutzen.

Das ORF-Zentrum am Küniglberg ist ein in Beton gegossenes Symbol des Rundfunk-Volksbegehrens. Es ist ein Symbol für unabhängige Redaktionen im Sinne der Vierten Gewalt, der Medienlandschaft.

Treffpunkt

Bei der Endstation des 8A beim ORF-Zentrum gibt es ein praktisches Wartehäuschen, das uns als Treffpunkt diente, und gut war’s, denn der Schneefall war ziemlich intensiv an diesem Tag.

Unsere Gruppe war eine Mischung aus Technikern, viele davon schon in Pension, ehemaligen Lehrern (TU und TGM), alle Mitglieder von ClubComputer, sowie einem bunten Haufen, der durch die Farben „grün-weiß“ zusammengehalten wird.

Mit Ausnahme eines Grippe-Opfers sind alle gekommen, für einen Ex-Lehrer ein erfolgreicher Tag.

Samstag

Wir wählten mit Rücksicht auf die Berufstätigen den Samstag als Besuchstag. Der Vorteil ist, dass am Wochenende alle Studios zugänglich sind. Der Samstag ist aber auch ein Nachteil, weil alles gespenstisch leer erscheint, obwohl in den für Besucher unzugänglichen Teilen des Gebäudekomplexes drei Fernsehsender und drei Rundfunksender senden. Beispielsweise sahen wir den Aufbau einer schlichten Szenerie für den ZIB-Flash, aber niemand war da, um irgendwas für die Nachmittagsausstrahlung vorzubereiten. Es dauert nämlich nur eine halbe Stunde, bis ein solches einfaches Studio auf Sendung gehen kann, bis also die Beleuchtung, die Kameras, die Hintergründe in Stellung gegangen sind.

Kulissenlager

In einem Kulissenlager sind die Aufbauten verschiedener Sendungen zu sehen, zum Beispiel „Barbara Karlich Show“, „Der Volksanwalt“ oder „Was gibt es Neues“. Das bedeutet, dass alle diese Aufzeichnungen in einem temporär errichteten Studio stattfinden. Der Aufbau eines solchen temporären Studios dauert etwa 2 Stunden. Es werden immer mehrere Sendungen in einem Block aufgezeichnet.

Die Kulissen werden für Aufzeichnungen in zwei kleinen Studio und einem großen Studio (bekannt als „Ballroom“) temporär aufgebaut.

Beleuchtung

Die Beleuchtung der Studios ist eindrucksvoll. Dutzende, wenn nicht hunderte Strahler können von einem Bildregiepult in jede beliebige Position gebracht werden, über Teleskopstangen auch in der Höhe. Jede Sendung hat ihr Lichtkonzept und die Einstellung aller dieser bis zu 20 sendungsbezogenen Strahlern erfolgt durch eine einzige Einstellung, ähnlich wie die Registrierung einer großen Orgel. Es sind keineswegs alle Strahler auf LED-Technik umgestellt. Das hat einerseits rein wirtschaftliche Gründe – man ersetzt die alten Strahler erst nach Ablauf ihrer Lebenszeit – aber auch organisatorische, weil die Neu-Kalibrierung einen ziemlichen Aufwand darstellt. Schließlich wird das LED-Licht von den Beleuchtungstechnikern oft geringer geschätzt, weil es zu „kalt“ wäre.

Ballroom

Das größte Studio des ORF ist der aus „Dancing Stars“ oder „Starmania“ bekannte Saal. Das Studio ist gleichzeitig das viertgrößte Studio in Europa – die drei größten Studios stehen in Deutschland. Die Frage ist, warum man in Österreich ein so großes Studio braucht. Dazu muss man in die Baugeschichte des ORF-Zentrums zurückgehen. Damals dachte man daran, dass man aus dem Studio auch Theater- und Opern-Aufführungen übertragen würde, und einige Sitzreihen weit oben im Studio erinnern noch daran. Doch im Laufe der Entwicklung der Technik ist es heute viel einfacher, die Aufführungen direkt aus den Theater- und Opernsälen zu übertragen.

Bei unserem Besuch war dieses große Studio durch zwei kleine Szenerien genutzt. Wenn aber im März die neue Staffel der „Dancing Stars“ beginnt, wird es etwa 14 Tage dauern, bis man das Studio in den Ballroom (wie im Bild) verwandelt haben wird.

Virtuelles Studio

Ein virtuelles Studio besteht aus einem grünen oder blauen Hintergrund („Bluebox“) und einer beliebigen Szenerie im Vordergrund. Die beteiligten Personen dürfen keine grüne oder blaue Bekleidung tragen. Der grüne oder blaue Hintergrund wird aus dem Bild herausgerechnet und durch einen beliebigen anderen Hintergrund ersetzt.

Diese Technik wird in den USA sehr häufig, bei uns aber weniger eingesetzt, weil der fehlende Hintergrund für die Akteure oder irritierend ist, weil sie nicht wissen in welchen Kontext sie die Bildregie stellt.

Wir hatten am Ende der Führung die Gelegenheit, ein solches virtuelles Studio zu testen. Erich und Herbert präsentierten sich zu den im Hintergrund eingespielten Philipp Jelinek und Christa Kummer. Es gibt dazu auch drei Videos bei der Bildersammlung. Wenn man sich die Bilder genau anschaut, sieht man, dass der dunkelgrüne Pullover von Erich durchsichtig wird. Diese Greenbox ist also für Rapid-Protagonisten nicht gut geeignet.

Im Zentrum

EInes der fest aufgebauten Szenerien war jenes von „Im Zentrum“. Es war aber wegen der Farblosigkeit fast nicht zu erkennen. Der Bildvergleich mit dem späteren Fernsehbild zeigt, wie groß der Einfluss der Beleuchtungstechnik und der Bildeinblendung im Hintergrund ist.

Die Sitzgruppe ist in der Studio-Realität viel kleiner als man das im Fernsehen vermittelt bekommt. Der Grund ist die verwendete Weitwinkel-Optik in den Kameras.

Kameras

Eine Studio-Kamera kostet ca. 150.000, – Euro und hat eine Lebensdauer von 20 Jahren. Alle Kameras sind im Ruhezustand abgedeckt, einige sind mit einem Teleprompter-Vorsatz „autoscript“ versehen, der den Sprechern das Ablesen des vorbereiteten Textes ermöglicht.

Damit man die genaue Position der Kameras nicht immer wieder neu justieren muss, haben sich die Kameraleute am Boden Markierungen mit Klebeband mit den Beschriftungen „BK“ (Barbara Karlich) oder „Stöckl“ angebracht. (siehe Bilder)

Auslandkorrespondenten

Aus Ländern, die für Österreich wirtschaftlich von größerer Bedeutung sind (ca. 25), berichten die dort lebenden Auslandskorrespondenten des ORF.

Audiodeskription

Bereits 70% der Sendungen können mit Audiodeskription empfangen werden. Die meisten dieser begleitenden Text stammen aus automatischen Übersetzungen und haben daher den Nachteil, dass zwischen dem Bild und dem zugehörigen Text ein zeitlicher Abstand besteht, der oft sinnstörend wirkt. Man könnte dieses Problem so beheben, indem man die Aussendung des Bildes um die mittlere Zeit der Texterkennung verzögert. Ich könnte mir aber vorstellen, dass der damit verbundene Aufwand und die „Nebenwirkungen“ sehr groß sind.

Newsroom

Der Stolz des ORF ist der neue Newsroom, in dem alle Nachrichtenredaktionen vereinigt sind. Dem Besucher sind diese Redaktionsbereiche nur indirekt zugänglich. In der „Locker-Lobby“ kann man ahnen, wie groß die Anzahl der Mitarbeiter ist. Niemand von ihnen hat einen festen Arbeitsplatz, sondern man benutzt den nächsten freien Platz. Laptop und persönliche Gegenstände sind in den Schließfächern der Locker-Lobby untergebracht.

Die Redaktionsräume haben Blick ins Freie. Die fest aufgebauten Szenerien der ZIB-Sendung sind in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Redaktionsräumen.

Backstage-Führungen

Unsere Erfahrungen mit dem uns zugeteilten Führer waren sehr gut. Die Erklärungen waren klar und verständlich, als Draufgabe durften wir noch das virtuelle Studio ausprobieren.

https://der.orf.at/backstage/orf-zentrum-backstage/

Es gibt zwei Arten solcher Backstage-Führungen:

  • Gruppen: hier meldet man eine ganze Gruppe an und bezahlt 220,- Euro für bis zu 25 Personen. Für jede weitere Personen 8,80 € (bis zu 40 Personen). Den Führungs-Termin vereinbart man bei der Anmeldung. Reservierungsformular. Kontakt-EMail Telefon: +43 (0)1 877 99 99
  • Einzelpersonen: Es gibt Sammeltermine, jeweils am Samstag zu denen man sich anmelden kann. 11.2. 14:00 (ausgebucht), 11.3. 12:30, 22.4. 11:30, 27.5. 14:00, 10.6. 15:30

Es gibt auch besondere Führungen mit Schwerpunkt Ö3 oder FM4.

Weiters wurde uns erklärt, dass derzeit noch nicht alle baulichen Veränderungen abgeschlossen sind und es im Laufe des Jahres weitere Einblicke in das ORF-Zentrum geben wird.

Teilnahme an Sendungen mit Publikumsbeteiligung

Bei Sendungen mit Publikumsbeteiligung kann man sich unter tickets.orf.at anmelden. In Kürze wird eine Spezialführung für Dancing Stars angeboten werden, dann nämlich, wenn im Februar der Ballroom aufgebaut sein wird, mit Terminen im März, April und Mai.

Beispiel „Was gibt es Neues?“

  • Termine 20.2, 21.2. 20.3., 21.3. jeweils um 17:00 und 18:00. 12,- € pro Ticket. ORF-Zentrum Küniglberg. Bestellseite.

Externe Aufzeichnungen

Einige Produktionen werden in externen Studios aufgezeichnet.

  • „Gute Nachr Österreich“ mit Peter Klien Marx Media Vienna, Studio 2, 1030 Wien, Maria-Jacobi-Gasse 2
  • „!3. Kabarettgipfel“, Wiener Stadthalle, Halle F, Roland-Rainer Platz 1, 1150 Wien

Derzeit gibt es für die Sendungen „Barbara Karlich Show“ und „Willkommen Österreich“ kein Kartenangebot, möglicherweise sind diese Aufzeichnungen bereits ausverkauft. Bitte von Zeit zu Zeit auf der Seite https://tickets.orf.at/Home/Sendungen das Angebot kontrollieren. Um sich dieses Nachschauen zu ersparen, kann man sich auch zu einem Newsletter anmelden, mit dem man über neue Termine informiert wird. (Registrierung erforderlich)

Finanzierung

An dieser Stelle möchte ich eine persönliche Bemerkung zur Bedeutung der Unabhängigkeit des ORF anbringen.

In einer funktionierenden Demokratie müssen die Menschen über alle Einflüsse, die das Leben in einem Land betreffen, informiert sein. Und diese Information liefern nur unabhängige Medien, also auch die Sender des ORF. Es ist nicht billig, diese Informationen aufzubereiten, aber wir müssen uns das leisten, um nicht Opfer von Einflüssen zu werden, die gegen unsere Interessen gerichtet sind. Nur durch unsere bewusste Bezahlung dieses Aufwandes kann man der allzu großen Einflussnahme der Parteien entgehen.

Wer die direkte Bezahlung über die GIS-Gebühr (Gebühren Info Service) ablehnt, sollte nicht annehmen, dass er damit etwas spart, denn die Regierung wird sich hüten, den öffentlichen Rundfunk einfach einzustellen, vielmehr wird derselbe Betrag indirekt über eine Steuer bezahlt und vergrößert damit den Einfluss der jeweiligen Regierung. Wie einfach wäre es dann, dass Politiker die Redaktionen zu angepassten Meldungen zwingen, haben sie doch dann das Druckmittel der Finanzierung in der Hand. Es kommt uns aber zu Hilfe, dass eine solche Budget-Finanzierung den Regierenden gar nicht angenehm ist, würde doch damit die Steuerquote steigen, was für diverse wirtschaftliche Kennzahlen des Landes ungünstig wäre.

Ist es nicht auffällig, dass gerade Parteien, die antieuropäisch und prorussisch sind, gleichzeitig sehr gegen eine GIS-Gebühr auftreten?