Fußballplatz, Ort gelebter Meinungsfreiheit
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- Seit den Anschlägen von Paris gegen Journalisten (link),
- seit unser HBP gemeint hat, dass man das nicht tun dürfe, „die religiösen Gefühle unserer muslimischen Mitbrüder- und -schwestern beleidigen“ (link),
- seit der Herr Papst seinen Sager losgelassen hat, dass eine Beleidigung seiner Mutter eine Antwort mit der Faust zur Folge hätte (link),
- seit mein Freund Peter sich darüber aufgeregt hat, dass ich mich kraft meiner Zugehörigkeit zur KdfSM (Kirche des fliegenden Spaghettimonsters) über Religionen lustig machen würde und sich das nicht gehört (er ist mit dieser Meinung in bester Gesellschaft, wie man am Vorbild des HBP sieht),
- seit Aldi, der deutsche Hofer, eine Seife vom Markt genommen hat, weil darauf ein Bild der Haglia Sofia zu sehen war (link),
- seit Spar sein Halal-Fleisch aus dem Sortiment genommen hat (link),
- seit sich Religionsgemeinschaften scheibchenweise immer mehr Sonderrechte aneignen (link),
- seit ich das mitreißende und scharfsinnige Buch von Nina Scholz und Heiko Heinisch „Charlie versus Mohammed, Plädoyer für die Meinungsfreiheit“ gelesen habe…
Was diese Dinge mit Fußball zu tun haben?
Alles! Fußball, in der Form wie wir ihn erleben, als „Mannschaften mit Anhängern“, die miteinander in Wettbewerb stehen, ist eine Manifestation von Meinungsfreiheit. Es gibt eine Unzahl von Fußballvereinen. Alle diese Vereine haben das Ziel ganz oben zu stehen. Und ein sommerlicher Voralpen-Cup ist für die teilnehmenden Vereine ebenso bedeutend wie für andere die Champions-League. Für die Anhänger dieser Vereine gibt es nur eine Wahrheit: die ihres Vereins. Sie dürfen und sollen diese Wahrheit verkünden wann und wo immer sie wollen. Sie dürfen auch – und das ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig – die völlig identischen Ziele des Gegners missachten, verachten und – sofern das nicht persönlich ist – auch beschimpfen und beleidigen; nicht die Personen, die Ideen. Wenn es also heißt: „wir vernichten Austria Wien“, dann ist das vielleicht nicht gerade zurückhaltend oder rational aber es darf sein. Und natürlich muss auch das Gegenteil möglich sein, wenn es heißt „schwuler SCR“ (na ja, über Geschmack lässt sich streiten). Es geht nicht um den Einzelnen, es geht um die Idee. Und es geht nicht darum, ob die jeweilige Äußerung gefällt oder nicht, sondern darum, dass sie gesagt werden darf. Ich füge ausdrücklich hinzu, dass sich diese emotionalen Sager auf die Idee eines Fußballvereins beziehen aber nicht auf konkrete Akteure. Leider gehen in der Praxis diese Dinge ineinander über. Aber es ist ein kollektiver Lernprozess, wie ich noch zeigen möchte. Das Wichtigste am Fußball ist daher nicht, was man selbst als das Wichtigste erachtet, nämlich den eigenen Verein, sondern im Gegenteil: es sind die Gegner. Nur durch ihre Existenz und durch ihre gleich gelagerten Rechte verleihen sie der eigenen Idee eine Existenzberechtigung und Gewicht. Ein Fußballverein ergibt überhaupt erst einen Sinn, wenn es andere Vereine gibt! Und die Idee des eigenen Vereins bekommt erst durch die Stärke des Gegners entsprechendes Gewicht. Das kann man an den Zuschauerzahlen ablesen. Wenn Rapid gegen Parndorf spielt, kommen 200 Zuschauer, gegen den Lokalrivalen 20.000 und gegen Real Madrid könnte man 200.000 Karten verkaufen. Erst der Gegner gibt einem Verein Bedeutung. Wir können aus der Beobachtung des Verhaltens von Zuschauern bei Fußballspielen leicht erkennen, wo Parteinahme für den eigenen Verein, für die eigene Idee ihre Grenzen hat. Es ist immer dort, wo Grundrechte des jeweils anderen (als Einzelperson) beschnitten werden. Was also nicht „geht“, ist- wie immer geartete Gewalt gegen andere,
- persönliche Beleidigungen,
- Sonderrechte (aber auch keine besonderen Benachteiligungen)
Unterschätzt mir den Fußball nicht!
Um wie viel höher diese Religionen moralisch angesiedelt sind, kann man sich durch einen exemplarischen Vergleich von Aussagen ihrer heiligen Bücher vor Augen führen. Man soll sich also – in der Diktion des HPB – nicht über eine Idee lustig machen, die einem Terroristen, der sich für seine Idee in die Luft sprengt und dabei viele Menschen in den Tod reißt, einer Idee, die ihm 72 Jungfrauen im Paradies verspricht und deren Protagonisten solche Lehren ungestraft verbreiten dürfen, mit dem Ergebnis, dass es doch immer wieder Einzelne gibt, die das Gelernte in die Tat umsetzen. Und es ist offenbar ein ebenso hohes Gut, wenn die männerdominierte Hierarchie der katholischen Kirche das Recht für sich beansprucht, die Regeln in den Schlafzimmern ihrer Mitglieder festzulegen und bei der Festlegung dieser Regeln, die Hauptbetroffenen, die Frauen nicht weiter zu Wort kommen lässt. Und auch diese Idee soll man achten und nicht verächtlich machen dürfen. Ganz zu schweigen von den unappetitlichen religiös-umrahmten Äußerungen einzelner Stars wie zum Beispiel unseres David Alaba, der sicher ist, dass er seine „Kraft nur Jesus verdankt“ (Aufschrift auf seinem Trikot) und der (oder ein Fan von ihm) unter diesem Titel sogar eine eigene Facebookseite betreibt (link). Dieser Standpunkt ist natürlich sehr praktisch – für die Sieger. Es ist eine weit verbreitete Argumentationslinie, zu behaupten, Gott wäre auf der Seite der Erfolgreichen. Das hat Calvin trefflich in die Welt gesetzt und wurde von den Wohlhabenden eines ganzen Kontinent dankbar aufgegriffen. Dort gilt dann auch der Umkehrschluss, dass die Armen für ihr Schicksal selbst verantwortlich seien, wie zum Beispiel zuletzt Kira Grünberg und Lukas Müller. Na, David, was ist die Haltung Deines Jesus zu diesen beiden tragischen Schicksalen? Waren diese beiden zu wenig mit Jesus verbunden? Wenn ich den Aufdruck auf Deinem T-Shirt richtig deute, ja, selber schuld, hätten sie doch! Über diese Auswüchse der moralisch so hoch eingeschätzten Religionen darf man sich also nicht lustig machen, weil man damit Gefühle verletzt. Alle diese skurrilen Ideen sind laut unserem HBP sakrosankt und von Kritik frei zu halten. Und wer redet bitte über die Gefühle jener, die diesen abstrusen Ideen nicht nachhängen wollen? Die haben keine „Gefühle“? Diese Rücksichtnahme verleiht den Religionen Sonderrechte, die ihnen im Wettbewerb der Ideen nicht zustehen. Sie müssen sich, wie andere Strömungen auch, Kritik in den besagten Grenzen gefallen lassen, sonst beginnt unser Wertesystem zu bröckeln und gerade das, was wir nicht wollen, eine Parallelgesellschaft mit eigenen Regeln, die sie noch dazu – kraft der Empfehlung des HBP – als Sonderrecht bevorzugt, beginnt, sich zu etablieren. Das ist genau der Punkt. Es ist das höchste Gut, das wir zu verteidigen haben, nämlich das der Meinungsfreiheit. So, wie es uneingeschränkt erlaubt ist, einer dieser Ideen anhängen zu dürfen, sei es irgend eine der Hunderten Religionen inklusive Rapid und Austria, so ergibt sich daraus unmittelbar der Schluss, dass es jeder Anhänger dieser Ideen ertragen muss, dass es Menschen gibt, die diese seine Idee gar nicht so toll finden, sie missachten und sich sogar darüber lustig machen. Und ja, sie dürfen das. Jeder erhobene Zeigefinger eines selbst ernannten obersten Moralhüters ist überhaupt nicht angebracht, denn dazu braucht man ihn nicht, denn seine Empfehlung geht in die ganz falsche Richtung, da dieses Recht verfassungsmäßig als unser höchstes Gut gesichert ist und gerade seine geforderte Rücksichtnahme den Grundstein zu Sonderrechten begründet. Ob wir die Form der Ideenkritik geschmackvoll finden oder nicht, ist damit nicht gemeint. Es geht nur darum, ob sie ausgesprochen, geschrieben, gesungen oder gezeichnet werden darf. Und gerade dieser Umstand zeigt, wie wichtig es ist, alle diese Ideen, seien sie auch noch so abwegig, einerseits nicht zu unterdrücken aber anderseits auch nicht eine vor der anderen bevorzugen, sei es durch ein Konkordat, das die Gehirnwäsche der Kinder im Zeichen dieser dubiosen Ideen seit den Dreißigerjahren fördert oder durch ein Islamgesetz, von dem vermutet wird, dass die Beschneidung der Knaben indirekt legalisiert und damit dieser Praxis einen Vorrang einräumt, der von anderen Grundrechten bereits als unzulässig genannt wird. Eine solche Ungleichbehandlung von Ideen durch den Staat scheint auf den ersten Blick beim Fußball nicht gegeben zu sein. Aber mit einer Rückschau auf die Ereignisse, die zum „Westbahnhof-Prozess“ geführt haben, kann man sehen, dass es auch beim Fußball eine verschiedenartige Bewertung der Farben gegeben sein kann. In einem Konflikt zwischen Anhängern von Rapid und der Austria am Wiener Westbahnhof standen ausschließlich die Rapidler auf der Anklagebank und obwohl sich Richterin und Staatsanwältin über die Motivlage dieser Begegnung im Unklaren waren (siehe Bericht der Presse vom 3.10.2011) wurde kein einziger (!) der Austria-Anhänger auch nur als Zeuge vorgeladen. Und das, obwohl in den Presseberichten deutlich angemerkt wurde, dass das Aggressionspotential bei beiden Seiten gegeben war.Wandzeitung
Unsere Stadt ist ja an mehr oder weniger freundlichen Meinungsäußerungen nicht gerade arm. Auch die Vertreter der rivalisierenden Fußballklubs schenken einander nichts. Da dieser Beitrag nicht den einen gegen den anderen Verein ausspielen will, beschränken wir uns auf einen gemeinsamen „Feind“, die Politik. So schaut das dann aus:


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4 Antworten zu “Fußballplatz, Ort gelebter Meinungsfreiheit”
[…] zu führen, dass er persönlich damit gemeint sein könnte. Das wurde ausführlich im Beitrag „Fußballplatz, Ort gelebter Meinungsfreiheit“ […]
[…] Fußballplatz, Ort gelebter Meinungsfreiheit (22.1.2016, Beleidigungen gegen ein Kollektiv dürften nicht strafbar sein, Blasphemie, Heiko Heinisch) […]
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